Norouz – oder wie ich in den Iran flog

Vom Neujahr Norouz erzählt mir Mahmoud, mein iranischer Couchsurfer in Istanbul, das erste Mal. Den Neujahrsmorgen verbringe ich mit ihm in seinem Apartment, er tanzt, ist froh und wir verbringen mit einem weiteren spanischen Couchsurfer und Amon den Neujahrsmorgen.

Es ist ein Neujahrsfest, das im zoroastrischen Glauben verankert ist. Man sagt dem Zoroastrismus nach, dass er die Grundlage aller monotheistischen Religionen sei, aber die Rituale, die das Fest begleiten haben grundsätzlich wenig mit dem Islam zu tun. Weswegen es noch verwunderlicher ist, dass dieses Fest immer noch mit solch einem Enthusiasmus gefeiert wird.

Mahmoud erzählt mir, dass es eine spezielle Zeit im Iran ist. Ähnlich wie Weihnachten in Deutschland. Es gibt zwei Wochen Ferien alle Familien besuchen einander, haben Festessen, wandern zusammen und schauen Fernsehen.

Die islamische Zeitrechnung und das zoroastrische Neujahrsfest sind durch zwei verschiedene Kalender festgesetzt. Denn während die islamische Zeitrechnung auf dem Mondkalender basiert, stützt sich der Zeitpunkt von Norouz auf den Rhythmus der Sonne. Die Lösung des Irans war es also, einfach einen persischen Kalender zu etablieren, der wie der islamische Kalender das Jahr Null mit dem Auszug Muhammeds aus Mekka definiert, im Unterschied zum islamischen Kalender aber auf dem Sonnenkalender beruht und somit die zoroastrischen Feste mit integrieren kann. Interessanterweise ist die Tagesanzahl der Monate dabei so geregelt dass die ersten sechs Monate 31 Tage haben und die nächsten fünf 30. Der letzte hat wie bei uns der Februar entweder 29 oder 30 Tage. Als Iraner muss man sich also an drei verschiedenen Zeitrechnungen (dem europäischen, der für Wirtschaft und Tourismus eine Rolle spielt, der iranisch-islamische für Festlichkeiten im Iran, sowie der islamische Kalender, der außerhalb von Iran gilt) orientieren und der Kalender eines Freundes sieht dementsprechend so aus:

KalenderPersischPersische Zahlen:

۱ – 1

۲ – 2

۳ – 3

۴ – 4

۵ – 5

۶ – 6

۷ – 7

۸ – 8

۹ – 9

۱۰ – 10

 

Der zoroastrische Glauben basiert auf Zarathustra, der die Lehre des guten Denkens, des guten Redens und des guten Handelns entworfen hat. Trotz der islamischen Hauptreligion im Iran gibt es noch einige zoroastrischen Bräuche, die sich über lange Zeit gehalten haben. Eine versprengte Gruppe findet sich noch im Westen Indiens, die ihre Herkunft auch explizit mit dem Iran verbinden („Parsen“). Insgesamt feiern allerdings 300 Millionen Menschen Norouz, besonders in der Schwarzmeerregion, dem Kaukasus, Zentralasien und dem Nahen Osten.

Hier ein Bild von einem zoroastrischen Tempel in Yazd, weiterhin das Symbol, dass die drei zoroastrischen Tugenden (mit einem kleinen Schreibfehler) beschreibt:

IMG-20160405-WA0021

Zoroastrier

Norouz stellt sich außerdem als der Grund heraus, warum ich mich schlussendlich entscheide in den Iran zu fliegen. Amon, ein Freund von Mahmoud aus dem Iran, der sich auf einem zwanzig-tägigen Trip durch die Türkei befindet und sich später als ein cooler Reisegefährte herausstellt, vermittelt mir den Flug und bucht ihn für mich bei einer iranischen Airline.

Nach den Anschlägen in Istanbul ist mein Sicherheitsgefühl etwas beschädigt. Obwohl sich Istanbul wirklich zu einem heimeligen Ort für mich entwickelt hat, da ich mit Mahmoud so gut auskomme und auch weiterhin Kontakt mit meinem ersten Couchsurfing Host habe. Doch meine Gedanken kreisen darum weiter zu ziehen, entweder an die nördliche Küste des schwarzen Meers oder an die süd-westliche Küste um Izmir. Beides erscheint mir sehr interessant, da ich mein Zelt dort besser nutzen könnte und ich mich trampend fortbewegen könnte. Obwohl ich die Lust am Trampen etwas verloren habe, da es nur in Glücksfällen eine gemeinsame Sprache gibt. Das ist schade, da ein Hauptpunkt des Trampens für mich ist, mit Leuten mit verschiedenen Hintergründen ins Gespräch zu kommen. Außerdem ist der Weg wirklich sehr weit und das Casanovatum der Türken hat sich mir noch nicht vollends erschlossen, als dass ich mir bedingungslos sicher fühlen würde.

Alternative Nummer drei ist in den Iran zu trampen, quer durch die Türkei. Obwohl mich auch da die erwähnten Überlegungen einschränken würden. Ich könnte dann also am nord-westlichsten Zipfel des Irans das Land betreten. Mahmoud erzählt mir außerdem von einem Zug, der in den Iran führe, doch als ich diesen googele, erhalte ich die Information, dass nach einem Angriff auf diesen Zug der Betrieb zunächst eingestellt wurde. Mist.

Doch dann ergibt sich die vierte Option: Amon, der Freund von Mahmoud, erzählt mir, dass ich auch einfach fliegen könnte, da die Flüge gerade unfassbar billig sind. Da die Fluggesellschaft persisch ist, kann nur Amon für mich diesen Flug buchen, der 20 US$ kostet. Diese zwanzig Dollar überzeugen mich direkt und nach einem Tag des Nachdenkens, entscheide ich mich mit Amon zu fliegen. Der Grund warum der Flug so günstig ist, ist Norouz. Denn in den zweiwöchigen Ferien die damit verbunden sind, verlassen viele Iraner den Iran um Urlaub zu machen. Die Flugzeuge zurück in den Iran sind jedoch so gut wie leer. So kommt es dass die Tickets zu diesen günstigen Preisen verscherbelt werden. Schwein gehabt!

Der Flug geht am Montag gegen eins. Ich verlasse mit Mahmoud morgens um acht das Haus, um sicher zu sein, dass ich den Weg finde. Die letzten Minuten mit Mahmoud sind sehr angenehm, ich versichere ihm zurückzukommen und eine lange Umarmung bildet den vorläufigen Schlusspunkt unserer intensiven Begegnung. Ich bin sehr früh am Flughafen nehme mir etwas Zeit zum schreiben und um den ersten Eindruck von den Iranern aufzusaugen, die in das selbe Flugzeug steigen werden wie ich.

Nachdem ich eine Weile in der Schlange zum Check-In verbringe trifft endlich Amon ein, der mir mit einem Grinsen im Gesicht und ein paar Shoppingtüten sich zu mir in die Schlange stellt, eine Position die ich mir in den letzten 90 Minuten erkämpft habe. Er hat dieses herzliche, leicht provokante Grinsen, dass ihn ständig begleitet und mit dem man ihm nichts übel nehmen kann. Sein geöffnetes Hemd und der Haizahn, der beinahe in seiner Brustbehaarung verschwindet rufen hawaiianische Assoziationen hervor und er zelebriert diesen offenen Lebensstil bis zum bitteren Ende: Kurz bevor wir das Flugzeug betreten packt er mich am Arm, schaut mir in die Augen und sagt. „Lets get drunk! That is something I won’t be able to do for a very long time.“.

Grinsend willige ich also ein im Duty-Free-Shop eine Weinflasche zu kaufen, die wir in der letzten halben Stunde vor unserem Flug gemeinsam leeren. Obwohl sich die Härchen auf meinen Armen aufstellen, bei der Vorstellung, wie wir von den Iranern, die vor uns das Flugzeug betreten, betrachtet werden, mit der Flasche am Hals, scheint Amon dieser Außenwahrnehmung gegenüber komplett gleichgültig zu sein. Eine andere Facette von ihm, die ich in der Zeit in der wir später zusammen reisen werden sehr zu schätzen lernen werde. Wir geben der Flasche also den Rest und betreten das Flugzeug.

 

Als wir unsere Plätze gefunden haben, und das Flugzeug kurz vorm Abheben ist fängt das Flugzeug an zu wackeln und durch meinen leichten Schwips, der den Anflug von Ängstlichkeit unterstützt, nehme ich seine Hand. Er sagt, „Another thing that I won’t be able to do in public for a long time.“ und grinst. Während der ganzen Zeit, die wir gemeinsam verbringen, passiert nie mehr als das zwischen uns, was die Stimmung in freundschaftliche und herzliche Farben taucht.

Als wir in Teheran ankommen, habe ich sogar die Chance seine Eltern zu treffen, die ihn vom Flughafen abholen um ihn mit nach Rasht zu nehmen, einer Stadt am kaspischen Meer. Sie sind so höflich, mich zu meinem nächsten Couchsurfer zu bringen. Und der Tag geht zu Ende, mit mir, immer noch leicht unfähig zu begreifen, dass ich nun tatsächlich im Iran bin.