Teil 1: Die Busparty – oder die Einleitung meines Couchsurfingfails 2.0

In der ersten Nacht, in der ich in Teheran ankomme und mich Amon (siehe: Norouz – oder wie ich in den Iran flog) bei meinem ersten Couchsurfer im Iran abwirft, sollte sich der zweite Couchsurfing Fail meiner Reise ereignen.

Amon telefoniert ein paar Mal mit meinem Host, da wir große Schwieirigkeiten haben sein Haus zu finden. Er sagt mir, dass er ihn etwas komisch findet. Er sagt er sei ein klassischer Teherani. Arrogant und unumgänglich. Etwas skeptisch lässt er mich mit ihm zurück, spricht ein weiteres Mal seine Einladung in den Norden aus, wo er studiert und mit der Sicherheit, dass wir uns wiedertreffen werden, trennen sich unsere Wege.

Der junge, schmale Mann, mit diesem sehr französischen Moustache, namens Shayan hat ein Pickup und ist im ersten Eindruck nicht besonders gesprächig. Er entschuldigt sich jedoch kurze Zeit später dafür, da seine Schwester scheinbar auf einen Wüstentrip geht, ist er etwas im Stress. Wir erreichen sein Haus und er stellt mir seine Familie vor. Seine Mutter, seine Schwester und seinen Bruder. Wir nehmen alle auf dem großen persischen Teppich Platz. Ein paar Meter von uns entfernt sieht man das große Wohnzimmer. Dort sind Polstermöbel aufgestellt, mit goldenen, verschnörkelten Rahmen, prunkvoll, kitschig und unbenutzt.

Dieser ausladende Stil, der viele persische Wohnzimmer umrahmt, verwirrt mich immer öfter, da er mir zweckentfremdet erscheint.

Während dem Essen erwähnt Shayan ein weiteres Mal die Wüstentour, die seine Schwester heute Nacht unternimmt und fragt mich, ob ich nicht mitkommen möchte. Ich möchte erst einmal ankommen und der Gedanke fliegt schnell wieder aus meinem Kopf. Nach dem Essen zeigt mir Shayan das Zimmer in dem ich übernachten werde, wo ich zwei weitere Deutsche treffe, die rauchend auf dem Balkon sitzen und den Nieselregen auf ihre Köpfe fallen lassen. Beide gehen auch auf diese Wüstentour, die 100 US$ kosten soll. Ich zögere, da ich das Geld nicht wirklich ausgeben will. Andererseits muss man eben manchmal Geld ausgeben um etwas zu erleben. Und gerade Wüstentrips sind nicht besonders einfach selbst zu organisieren, da man meistens ein Auto braucht und jemanden der weiß wo sich die schönen, sehenswerten Plätze befinden. Ich beginne also mit dem Gedanken zu spielen. Shayan sagt, es ist ein kleiner Bus, ein paar Freunde von ihm werden auch mitkommen und es wird eine überschaubare Angelegenheit. Die beiden Deutschen sind um die 40, ein Lehrer aus Berlin und ein Mechaniker aus Braunschweig.

Ein weiteres Problem das sich auftut ist, dass ich nur türkische Lira in meinen Taschen habe und noch nichts in Rials umtauschen konnte. Ich spreche mit Shayan darüber ob ich in Lira bezahlen könnte, doch das Internet ist so schlecht, dass es sich sogar als Herausforderung darstellt einen einfachen Wechselkurs in Erfahrung zu bringen. Nach einiger Hin- und Herrechnerei einigen wir uns auf einen Betrag und ich entscheide mich auf diese Wüstentour zu gehen. Sie wird zwei Tage dauern, der Preis inkludiert die Übernachtung in einer Art Hostel und die zweitägige Begleitung eines Reisebusses, der uns auch an entlegene Zipfel der Wüste bringen kann. Ich beschließe nicht zu viel über Geld nachzudenken und werfe meinen Rucksack in den Kofferraum von Shayans Auto. Die beiden anderen Deutschen springen in ein zweites Auto und nach einer kurzen Fahrt, erreichen wir den Platz wo unser „Minibus“ losfahren soll.

Zum Verhängnis eines der Deutschen handelt es sich jedoch keineswegs um einen kleinen Minibus, mit einer kleinen Anzahl von engen Freunden, die spontan einen kleinen Wüstentrip unternehmen möchten, sondern um einen riesigen Reisebus, voll mit reiselustigen Iranern, die schon aufgeregt mit den Füßen trappeln.

Es stellt sich heraus, dass der Lehrer eine monströse Angst vor dem iranischen Fahrstil hat und sich diese Unternehmung definitiv anders vorgestellt hat. Im Angesicht des Reisebus kapituliert er und versichert Shayan glaubhaft, dass er dieses riesige Gefährt nicht betreten wird. Er sagt ihm, dass er sich diese Reise anders vorgestellt hätte und mit einem kleinen Bus gerechnet hätte, in dem die Insassen auf seine Bedürfnisse eingehen könnten, falls ihm nicht gut sei.

Er cancelt also diese Fahrt mit den verzweifelten Worten, „Mir ist das egal, ich bezahle auch das Geld für die Fahrt. Mein Leben ist mir wichtiger. Ich werde da drin verrückt!“

Kurzfristig ziehen die beiden ihre Zusage also zurück, Shayan aufgebracht: „but you’ve booked this!“. Was etwas ironisch klingt im Anbetracht der Tatsache, dass diese Buchung fern von jedem Vertrag vonstatten ging. Da ich die Einzige der Gruppe bin, die mit der Schwester von Shayan tatsächlich den Bus betritt, weiß ich nicht, ob die beiden tatsächlich die 100US$ bezahlt haben. Für nüscht. Das fände ich schon ziemlich unsportlich von diesem Shayan. Aber dieser Mafiosi mit dem französischen Bart wird sich auch zukünftig noch als leicht verruchter Kerl entpuppen.

Die Fahrt beginnt mit einer Art Vorstellungsrunde, die mir leicht suspekt vorkommt. Ich stehe auf und sage der Gruppe meinen Namen, woher ich komme und was ich im Iran mache. Was ich zunächst als Ausstellungsaktion von Ausländern wahrnehme, soll nur zum Zusammenhalt der Gruppe beitragen. Scheinbar kennt hier jeder jeden und die Reiseveranstalter haben ein großes Interesse an einer freundschaftlichen Atmosphäre im Bus. Nach mir stehen noch ein paar andere junge Soldaten auf, die gerade auf „Freigang“ sind und ihre Freizeit nutzen zu einem kleinen Partytrip. Denn dieser Bus, der zunächst wie ein unschuldiger Reisebus mit fröhlichen Reisenden aussieht, ist eigentlich ein Partybus, indem die Leute kurze Zeit nach unserer Abfahrt den schmalen Gang zwischen den Sitzen füllen und ihre Handgelenke in persischer Manier um ihren Körper kreisen lassen. Für mich eine interessante Erfahrung, da die Hemmungen zu Tanzen scheinbar sehr tief angesetzt sind: Musik an, losgetanzt. Durch den persischen Stil, die Hände als Hauptelement des Tanzes, den ganzen Körper ansteckend, zu benutzen ist es aber auch sehr einfach, ihn zu erlernen (wenn man die Scheu schnell ablegen kann). Das ist schön, weil es damit auch für alle zugänglich wird, jeder kann Tanzen, keiner ziert sich wegen Unfähigkeit. Die Musik wird also ordentlich aufgedreht, Frauen und Männer springen auf und bewegen sich rhythmisch zu iranischer Musik. Die Kopftücher fallen mit den Hemmungen, jeder einzelne Insasse wird aufgefordert mitzutanzen.

Der Bus fährt gegen zwölf Uhr nachts los und da ich mich auf eine lange Schlafphase eingestellt habe gehe ich zunächst in eine kurze Phase der Verzweiflung über und muss an den verängstigten Deutschen denken. Mit dem knarzenden Beat in den Ohren denke ich an seine Worte: „Ich werde da drin verrückt!“ und frage mich kurz, ob mich nun vielleicht dieses Schicksal ereilen wird, da ich zu dämlich war, diese Situation zu vermeiden.

Doch es kommt anders: denn nach einer gewissen Aufwärmphase, bekomme ich auch richtig Lust zu tanzen. Es ist ein anderes Feeling als in Deutschland. Jeder bekommt seinen Moment in dem er im Mittelpunkt steht und meine Mitreisenden wissen genau damit umzugehen. Die Umstehenden klatschen, schnipsen während die Person im Mittelpunkt gekonnt die Hüften schwingt. Diese Souveränität besitze ich leider noch nicht, doch durch meinen Welpenbonus und auch durch die positive Grundstimmung ist die Atmosphäre wohlwollend und federnd, jeder möchte mir beibringen, wie man persisch tanzt. Es ist schön, man kann sich von den Wellen der Begeisterung tragen lassen, keine urteilenden Blicke, keine Ablehnung. Außerdem ist die Interaktion zwischen Männern und Frauen bemerkenswert. Denn ohne sich zu berühren, findet intensiver, spielerischer Austausch statt. Blickkontakt, kreisende Hände, keine körperliche Berührung.

Doch glücklicherweise werden auch die wildesten Tänzer irgendwann müde und ich bekomme noch meine verdiente Dosis Schlaf. Schließlich war der Tag sehr lang.

Was wir in der Wüste erleben und wie sich der Couchsurfingfail ereignen wird, könnt ihr im nächsten Beitrag (noch nicht veröffentlicht) nachlesen..

 

1 Gedanke zu „Teil 1: Die Busparty – oder die Einleitung meines Couchsurfingfails 2.0“

  1. Wo bleiben Wüsten- und Couchsurfingfailbeiträge? Vielleicht ergeben sich in der „ruhigen“ Weihnachtszeit Möglichkeiten der Verfassung?

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