Waschmaschinengebrumme und Lektionen über Iran

Die zweite Nacht in Isfahan verbringe ich in einem Hostel. Das Feeling verändert sich komplett, wenn man sich unter Touristen bewegt. Wegen Norouz hat es auch einige Iraner in das Hostel verschlagen, doch überwiegend sind die Gäste Ausländer. Ein älterer Herr führt mich zu meinem Zimmer. Er geht eine kleine weiße Treppe herunter, um die Waschmaschine anzuschalten. Ich warte oben, doch er verschwindet nicht wie erwartet in dem Raum aus dem das dröhnende Rotationsgeräusch kommt. Er winkt mir auffordernd zu und zeigt auf die Tür gegenüber des Waschraums. Ein dickes Schloss hängt vor dem vier Quadratmeterräumchen. Gut, zehn Euro. Ich teile mein Zimmer mit einem bärtigen Kerl aus der Slowakei. Er unterrichtet International Relations an einer britischen Universität und er teilt einige Überlebenstricks mit mir. Im Iran ist es ganz normal, dass iranische Bürger viel weniger Eintritt bezahlen um touristische Orte zu besuchen. Viele Touristen bemerken das nicht, weil sie keine persischen Zahlen lesen können. Es gibt mehrere Überlebensstrategien mit diesen Dingen umzugehen. Mein slowakischer Mitbewohner hat sich angewöhnt entweder über Zäune zu klettern, oder in pöbelndem armenisch so zu tun, als wäre seine Reisegruppe schon vorgegangen. Hat bei ihm bisher wohl ganz gut geklappt. Ich habe auch einige Strategien entwickelt. Entweder bin ich mit einer iranischen Person unterwegs und verhalte mich einfach gekonnt unauffällig, während mein Begleiter die Tickets kauft und mich durch den Eingangsbereich schleust. Oder ich versuche den Kassierern zu erzählen, dass ich Iranerin bin. Dafür habe ich folgenden hilfreichen Satz gelernt: „Charaji na, irani! Baba irani, Mama almani!“ Was soviel heißt wie, „Ich bin keine Ausländerin! Ich bin Iranerin, mein Vater ist Iraner und meine Mutter Deutsche.“ Diesen Trick habe ich bisher nur in einem zoroastrischen Tempel angewendet und ich habe den Kassierer damit so zum Grinsen gebracht, dass er mir tatsächlich den günstigen Eintritt verkauft hat. Sonst bringt es manchmal auch was, wenn man sich als die Verlobte eines Iraners ausgibt. Das ist dann so ähnlich als hätte man die iranische Nationalität. Die dritte Strategie hat bisher nur in Persepolis funktioniert. Sich einfach aufregen. Ging gut. Mein Roomy erzählt mir auch, dass es manchmal zwei verschiedene Speisekarten gibt und man am besten einfach nach der persischen fragt und mit dieser bestellt. Grundsätzlich sollte man allerdings nicht von dem Gedanken besessen sein, dass einen alle nur über den Tisch ziehen wollen. Die meisten Menschen die man trifft sind wirklich aufrichtig freundlich. Wie lange die Iraner diese doppelte Preisstrategie allerdings noch durchziehen können ist mir ein Rätsel. Neben dem Fakt dass es nicht besonders fair ist, wird es den Iranern mit zunehmender Öffnung für Tourismus und wirtschaftlichen Austausch zunehmend schwerer fallen Aus- und Inländer zu unterscheiden. Im Iran ist es jedoch ganz normal, dass man aufgrund des Aussehens als Ausländerin identifiziert wird. Daran würde auch ein iranischer Pass in meiner Tasche nichts ändern. Das liegt besonders daran, dass der Kontakt zwischen Iranern und Ausländern dahingehend limitiert ist, dass die Iraner selbst nicht viel reisen (können) und der Tourismus im Iran vergleichbar überschaubar ist. Die Berührungsmöglichkeiten sind somit minimiert.

Dieses Problem entsteht auch durch einige politische Regelungen. Iraner bekommen ihren Reisepass beispielsweise erst, wenn sie den Militärdienst absolviert haben. Vorher können sie das Land nur in Ausnahmen verlassen, die meistens mit größeren Geldsummen verbunden sind. Iranerinnen dürfen nur mit der Zustimmung ihres Vaters oder Ehemannes reisen. Sie sehen sich jedoch oft selbst nicht in der Lage eine solche Reise zu unternehmen (ähnlich wie das bei deutschen jungen Frau der Fall ist). Die reisenden Iraner die ich getroffen habe haben meistens die Türkei, Armenien und Georgien bereist, da die Visabestimmungen dort besonders günstig sind und diese Länder nah am Iran liegen. Neben dem Fakt dass die Iraner ihr Land also nicht so oft verlassen, ist der Tourismus aus Europa hauptsächlich auf Reisegruppen beschränkt. Viele Westler trauen sich nicht alleine in den Iran zu reisen, weil die politischen Rahmenbedingungen einen leicht bedrohlichen Schatten auf den Alltag in diesem Land werfen.

Natürlich darf man Iran auch nicht als ein abgeriegeltes Land betrachten. Geschätzt leben vier Millionen Iraner außerhalb des Irans und gerade im Zuge wirtschaftliche Aktivität wird viel gereist. Und doch wird das Exotentum der Fremden durch die oben aufgeführten Punkte gestärkt und die differenzierte Betrachtung von europäischen Reisenden geschwächt. Auch die Idealisierung europäischer Länder habe ich in zahlreichen Diskussionen über Auswandern beobachtet, eines der beliebtesten Themen. Dass es Prekarität, Rassismus und soziale Ungleichheit auch in Deutschland gibt, ist wohl nicht das, was man direkt auf dem Schirm hat, wenn man Deutschland von außen betrachtet. Wie in jedem Land gibt es überall sehr viel zu entdecken. So auch für die Reisenden die nach Iran kommen. Es lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Ist vielfältig und segmentiert, getrennt und vereint, Eines und Vieles.

Couchsurfing Fail 3

Glücklicherweise habe ich für die zweite Nacht in Isfahan einen Couchsurfing-Host gefunden, der in der Nähe des Imamsquares lebt. Ich plane ihn am Abend zu treffen, um viel Zeit zu haben, die Stadt kennenzulernen. Da Dariush (siehe vorherigen Eintrag) im Teppichladen einen Hotspot für mich errichten kann, bleibe ich dort eine Weile und lasse mich mit Informationen zu diesen seidigen Fabelwesen namens Teppich berieseln. Besonders angetan hat es mir der sogenannte magische, fliegende Teppich, der Muster auf beiden Seiten hat. Er kann nur von zwei Menschen gleichzeitig geknüpft werden, die das selbe Knüpftempo haben und ist komplett aus Seide. Da Dariush auch Couchsurfing hat und er den Kerl bei dem ich abends übernachten möchte kennt, schreibe ich meinem Host eine Nachricht, dass ich noch mit Dariush rumhänge aber am frühen Abend mich gerne mit ihm treffen würde. Fataler Fehler. Und eine weitere merkwürdige Seite des Couchsurfens tritt zutage: Erst mal sagt er mir ab für die Nacht, weil er Dariush nicht mag und der ihm „immer andere Reisende ausspannt“ (im freien Wortlaut). Ich verstehe überhaupt nicht was es auszuspannen gibt und woher der Wunsch nach einer monogamen Couchsurfingbeziehung kommt, da man ja als Fremder in einer Stadt viele verschiedene Menschen kennenlernt. Es ist also fünf Uhr nachmittags und dieser Typ sagt mir ab! Aus mir unerfindlichen Gründen. Natürlich hat Dariush zur der leicht verkorksten Beziehung auch etwas zu sagen, es lassen sich folgende Parallelen zwischen den beiden Jungs aufdecken: beide haben einen Teppichladen! Vielleicht ist das die geheime Teppichmafia, die einerseits um Käufer und andererseits um brennende Bewunderer konkurriert. Vielleicht kommt hier aber auch ein weiterer kruder Aspekt des „Sexsurfings“ (Siehe Couchsurfing Fail 1) zutage. Denn in diesem kranken Kodex, geht es um das Recht, wer den Couchsurfer/die Couchsurferin rumkriegen wird. Und da Dariush in der Wahrnehmung des anderen Hosts durch das vorzeitige Treffen mit mir schon eher einen Fuß in der Tür hat, fühlt er sich schon im Voraus betrogen. Klar, das kann auch alles blinde Projektion in ein mir unbekanntes Problem sein, aber durch meine vorzeitige Schädigung was Sexsurfing angeht, ballt sich meine undifferenzierte Wut auf diesen unbekannten Couchsurfinghost. Ich bin ziemlich frustriert weil ich letzte Nacht schon 30,- € für das Hotel ausgegeben habe. Und jetzt nochmal 10,- € für ein Hostel ausgeben muss. Bei einem Tagesbudget von 10,- € ist das vielleicht verständlich. Eine Stunde später schreibt er mir noch eine Nachricht, ich solle doch bitte zu seinem Teppichladen kommen, dann würde er mir die Geschichte erzählen, warum er so reagiert hätte. Aber da ich mir a) keine verständliche Geschichte für sein kindisches Verhalten vorstellen kann und b) auch gar keine Lust habe zwischen die mafiösen Teppichwalzen zu geraten, sage ich ihm ab und finde mich mit der Vorstellung des Hostels ab. Auch wenn meine Reaktion möglicherweise ähnlich kindisch ist wie seine, fühle ich mich so trotzdem besser. Dariush bietet an, mich zum Fluss zu bringen und wir haben einen entspannten Spaziergang durch die von iranischen Touristen gefluteten Straßen. In der Region um den Fluss ist viel los, obwohl man gar nicht wirklich versteht, warum. Denn im Iran gibt es ja keinen öffentlichen Alkoholausschank also auch keine Bars. Die Läden sind zwar viel länger offen als in Deutschland, aber die Plätze in denen man sich länger aufhalten kann, sind eigentlich nur Restaurants. Wir sitzen noch ein Weilchen am Wasser, es tut gut, sich länger mit ihm über Gott und die Welt zu unterhalten. Bis wir uns verabschieden und ich in das Hostel wandere, das ganz in der Nähe von meinem Hotel liegt.

Dariush und die persischen Teppiche

Persische Teppiche. Ich komme in den Laden und lerne Dariush kennen. Er ist bei Couchsurfing, kann aber wegen Norouz gerade niemanden aufnehmen. Wir unterhalten uns ein wenig und später darf ich bei einer Teppicheinführung dabei sein. Persische Teppiche sind kleine Wunder für sich. Europäische Touristen kommen in diesen Laden, ein Meer von vielartigen Teppichen vor sich: manche sind bläulich mit dünnen Bäumen deren zarte Äste sich silbern filigran über den glänzenden Grund ziehen. Andere sind in tiefem Dunkelrot, bedeckt mit Kacheln der vier Jahreszeiten.

In völliger Unkenntnis über die Hintergründe all dieser dicken Bodenbedeckungen tauchen sie in Materialien, Färbemethoden und Musterdesigns ein, hören wie diese faszinierenden Bodenbeläge hergestellt werden und hören, dass die Herstellung nur eines Teppichs bis zu fünf Jahren in Anspruch nehmen kann. Mitgenommen in diese Welt von Knotendichten, Nomaden und Wüstenblumen möchten sie eine Erinnerung dieser Welt mitnehmen und geben ein halbes Vermögen für persische Teppiche aus. Auch mich hat die Faszination für diese Teppiche gepackt.

Eine Spaziergang durch Isfahan

Als ich in Isfahan ankomme beginnt eine dreitägige Phase der Unruhe und der Rastlosigkeit. Ich weiß nicht genau, wo es hergekommen ist. Es ist das Bedürfnis nach Ruhe, aber auch nach Sortieren. Die Gedanken und Erfahrungen aufschreiben, einordnen. Ich verbringe einige Stunden in meinem Hotelzimmer, es scheint trotzdem nicht genug. Einige Sachen kann ich endlich erledigen, andere bleiben weiterhin liegen. Ich habe eine ruhige Nacht. Ich freue mich auf den ersten Entdeckertag für mich seit ich im Iran bin.

Am nächsten Tag mache ich also einen ersten Spaziergang um mein türkisches Geld umzutauschen. Nach einer kleinen Schnitzeljagd finde ich endlich eine Bank die Geld wechselt. Der Beamte spricht sehr gutes Englisch und nachdem wir eine Weile über den Wechselkurs diskutieren ruft er einen Freund an, der mir das Geld wechseln wird. Er sagt, der Wechselkurs der Bank wäre zu hoch und ich würde wo anders mehr Geld bekommen. Vermutlich eine weitere Sache, die man in Deutschland so nicht erleben würde. Gesagt getan, kurze Zeit später habe ich meine gesamten Finanzen für die nächsten drei bis vier Wochen an mir (ca. 180 €). Ich trage meinen Rucksack also vorzugsweise auf dem Bauch.

Denn im Iran gibt es für Touristen keine Möglichkeit Geld abzuheben. Deswegen muss man vorher eine Ladung Cash abheben, oder alles im Voraus buchen. Ich freue mich über den netten Bankbeamten und wetze zurück zum Hotel um mein Zimmer zu bezahlen. Dann widme ich mich den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Direkt ins Auge sticht der Imam Square, an den zwei Moscheen und ein Palast angegliedert sind. Während ich mich durch die Mengen an iranischen Touristen wühle, die um das Neujahrsfest aus dem ganzen Iran anreisen, tritt ein weißhaariger Mann neben mich. Seine stechenden blauen Augen bekräftigen die Frage, wo ich hinmöchte. Er ist ein pensionierter Englischlehrer und ist auf eine schweigsame Art herzlich. Er zeigt mir einen Platz wo ich günstiges, leckeres Essen bekomme und unsere Wege trennen sich. Ich bestelle Kebab und nachdem ich bestellt habe werde ich vor einem klapprigen Fahrstuhl abgestellt.

Kebab ist ein unglaublich vielseitiges Gericht. In der Türkei sowie im Iran gibt es viele verschiedene Arten von Kebab, da das Wort Kebab erst einmal nur „über dem Feuer gebraten“ heißt. Dabei kann es sich also um alles mögliche handeln. Ich wundere mich, warum ich in Deutschland nie darauf gekommen bin nach der Bedeutung von Döner oder Kebab zu fragen.

Der Fahrstuhl zockelt kurz darauf mit fünf weiteren Gästen in die nächste Etage. Dort erstreckt sich das Restaurant ausgiebig auf eine größere Fläche, die sich von unten nicht erahnen lässt. Es gibt einige kreisförmig angeordneten Holzpodeste auf denen sich mehrköpfige Familien breit gemacht haben. Da es im Iran üblich ist auf dem Boden zu essen wird auch mir ein Podest zugewiesen. Ich genieße ruhig meinen Kebab mit Brot und dem Basilikumsalat, als mich ein Mädchen vom Podest nebenan auf Englisch anspricht. Sie heißt mich im Iran willkommen und möchte wissen woher ich bin. Nach einer kurzen Konversation bittet sie mich um einen Selfie mit ihr.

Nach dem Essen schlendere ich wohlig gefüllt über den Imam Square. Es gibt Pferdekutschen, vor denen man sich lieber in Acht nimmt. Außerdem Massen von fotografierenden Touristen.

Der Platz ist sehr schön, besonders der Stil der Moscheen gefällt mir sehr gut. Er ist geprägt von türkiser Farbe und schnörkeligen Mustern.

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Nach der ersten Erkundungsrunde mache ich mich auf den Weg in Richtung des Flusses. Von da aus werde ich den Weg zur Vank Church suchen. Dort in der Nähe arbeitet ein Couchsurfer, mit dem ich mich unterhalten möchte.

Im Basar, der den gesamten Platz umgibt spricht mich ein alter Mann an: „Man könnte ja denken, dass du einen Schatz in deinem Rucksack hast, so wie du ihn trägst.“ Er ist so groß wie ich, hat weiße Haare und spricht wirklich gutes Deutsch. Ich lache, falte meine Hände über meinem Rucksack und wir starten einen langen Spaziergang. Er erzählt mir von seiner Familie, seinen beiden Söhnen und seinem Wunsch nach einer Tochter. Er sagt im Iran sind die Töchter Blumen und die Söhne Bäume. Außerdem erzählt er mir von den Sanktionen, die vielen Menschen das Leben schwer machen. Er arbeitet nicht mehr und seine Frau ist über das Neujahrsfest nach Ahvraz gefahren, deswegen ist er jetzt alleine zu Hause. Wenn seine Frau zu Hause wäre, würde er mich zu einem Abendessen einladen. Er ist ein lustiger Kauz und ist ein unterhaltsamer Weggefährte. Wir haben den Fluss erreicht, der extra für Norouz geflutet wurde. Eigentlich ist gerade Wassernot und in natürlichem Zustand wäre der Fluss nur ein leeres Bett. Auf der glatten Wasseroberfläche gondeln kleine Tretboote, es ist ein buntes Treiben. Vor der historischen Brücke, die sich über den Fluss erstreckt ist ein großes Podest aufgebaut. Es ist wegen Neujahr. Auf dem Podest werden verschiedene essbare und nicht essbare Dinge drapiert, die im zoroastrischen Glauben eine große Rolle spielen. Wir überqueren langsam die Brücke der 33 Bögen, die den bewässerten Teil des Flusses von dem ausgetrockneten Teil trennt.

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Er sagt, seit den 90er Jahren hätte sich hier im Iran viel verändert. Während wir auf einer hölzernen Bank in einem Park am Fluss platznehmen erzählt er mir, dass früher Leute die wie wir auf dieser Bank sitzen würden, nach ihrer Beziehung befragt würden. Die Sittenpolizei würde dann die Eltern kontaktiert und die Angaben überprüfen. Warum das heute nicht mehr geschehe? Die Polizei sei müde geworden. Es koste zu viel Zeit und erfordere zu viel Aufwand. Sehr verständlich.

Er erzählt mir, dass sich auch im Privaten viel verändert hätte. Er behauptet, dass die meisten Frauen im Iran die sich in einer Beziehung befinden auch Sex mit ihren Freunden haben. Das hätte früher nicht funktioniert.

Über das Thema Sexualität und Heiraten laufen mir während der Reise noch einige andere Meinungen über den Weg, die ich in einem eigenen Text mal zusammentragen möchte.

Er ist jedenfalls ein angenehmer und lustiger Wegbegleiter. Er nennt sich meinen alten Bodyguard. Wir laufen bis zur Kirche und er hilft mir den Teppichladen zu finden. Dort verabschieden wir uns mit warmem Handschlag.

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Teil 2: First impressions of Iran – Couchsurfingfail

 

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Als wir morgens durch unsere verklebten Augenlieder blinzeln und unsere zertanzten Körperteile strecken, sehen wir lange Landschaften brauner Weite.

Hinter mir sitzen die anderen 66,6 % Englisch-sprechenden des Busses. Ein Spanier, und eine Iranerin, die beide zur Zeit in der Niederlande leben. Die beiden sind ein Paar und durch das gute Englisch der Frau, Amara, kommen wir schnell ins Gespräch, da sie auch die Ansagen des Busfahrers übersetzt.

Die restlichen Partylöwen um uns herum erstehen auch langsam von den Toten. Wir sind mittlerweile im zentralen Teil von Iran angekommen, der voll von Wüste ist. Während wir so durch die braun kantigen Weiten fahren, werden wir direkt mit einigen historischen Informationen gefüttert. Einige alten Zisternen die wir passieren, werden zum Anlass genommen uns über das historische Bewässerungssystem in Kenntnis zu setzen, dass sich über weite Teile des Irans zieht. Das Kanatsystem fand im persischen Reich seine Anfänge und wird heute noch benutzt, da Wassermangel weiterhin ein gravierendes Problem darstellt. Das Prinzip ist, verschieden lange Schächte zu bauen um das tief in der Erde verlaufende Wasserrohr zu erreichen. Durch die verschiedenen Längen der Schächte ergibt sich eine abfallende Steigung, die das Fließen des Wassers sichert. Das Prinzip eignet sich am besten in selbst abfallendem Gebiet, da der Kanat nicht ewig abfallen kann, sondern an bestimmter Stelle (meistens in einem Dorf) zutage tritt.

Nach dieser kleinen Einführung in die altorientalischen Adern die unter unseren Füßen verlaufen erreichen wir unser „Hostel“, in dem wir zunächst unsere Sachen loswerden. Es gibt ausrollbare kleine Matratzen und es teilen sich immer sechs bis sieben Leute ein Zimmer. Ich komme bei der Niederländerin, ihren Schwestern und ihrem Mann unter. Erstmal wird nun eine kleine Mittagspause gemacht und ordentlich gespachtelt. Wir haben auch etwas Zeit das Gelände zu erkunden.

Das Hostel:

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Nach der Mittagspause besichtigen wir noch einen riesigen Salzsee:

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Der Tag vergeht mit viel Rumfahrerei und noch mehr Tanzerei, bis wir abends müde ins Bett fallen.

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Am nächsten Morgen zeigt die persische Wüste ein sonnigeres Gesicht.

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Wir nutzen das gute Wetter um eine heilige Quelle zu besuchen, die aus einer Höhle entspringt, in der sich zahlreiche Fische tummeln. Anschließend gehen wir zu unserem Haupt-act des heutigen Tages über. Wir werden die Wüste besichtigen!

Klingt in Anbetracht der oben hochgeladenen Bilder etwas ironisch. Man könnte vielleicht sagen, dass der Ort, den wir nun besichtigen sich insofern unterscheidet, dass er richtige Dünen hat. So wie man sich diese Wüste eben vorstellt. Was natürlich auch nicht fehlen darf sind Wüstenjeeps und mietbare Quats.

Neben der feinen Ironie die hier durchklingt, macht es trotzdem einen Heidenspaß die sandigen Riesen zu erklimmen und die nackten Füße unter der Oberfläche zu verstecken.

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Auf der Rückfahrt steuern wir ein Restaurant an, in dem wir unser Mittagessen zu uns nehmen möchten und hier kommt es nun doch noch zum Couchsurfingfail, der uns die ganze Zeit latent begleitet. Ich komme nämlich mit der Niederländerin darüber ins Gespräch, wie viel sie für den Trip bezahlt hat und sie sagt mir, dass jeder der beiden 50 $ gezahlt haben. Wie ihr euch aus dem letzten Post noch erinnern könnt, habe ich 100 $ bezahlt.

Das finde ich nicht cool. Ich erkläre also Amara meine Situation und frage sie, ob sie eventuell für mich übersetzen könnte. Sie bejaht und als wir an unserer Mittagsstation angekommen sind spreche ich die Schwester von Shayan an. Ich erkläre ihr, dass ich mehr bezahlt habe als die anderen und dass ich die Differenz bitte wieder haben möchte. Sie ist sichtlich schockiert und versichert mir gleich ihren Bruder anzurufen. Sie erreicht ihn zunächst nicht, gibt mir aber das Geld zurück. Als sie ihn dann später doch erreicht, erklärt sie mir, etwas wäre wohl mit dem Umrechnen falsch gelaufen. Außerdem dachte ihr Bruder, ich würde danach nochmal zu der Familie nach Teheran kommen.

Diese Erklärungen erscheinen mir alle fadenscheinig und ich bin mir sicher, dass Shayan dieses Programm öfter abzieht. Auch sein penetrantes Angebot für den Wüstentrip in der Nacht kommt mir nun nicht mehr ganz so sympathisch vor.

Was man an diesem Beispiel allerdings sehen kann, ist, dass Couchsurfing nun in manchen Bereichen genutzt wird um Touristenangebote subtil anzubieten. Was lässt sich besser vermarkten als ein Trip mit Locals, fernab vom Touri-angebot? Vermeintliche Zufälligkeiten oder gute Chancen, stellen sich im Nachhinein vielleicht als strategisches Kalkül heraus.

Manchmal werden touristische Angebote aber auch ganz offen präsentiert. Man findet immer mehr „Hosts“, die ein Hostel führen, oder eben welche, die Fremdenführer sind oder anderweitige kommerzielle Interessen haben. Das ist natürlich nicht grundsätzlich zu kritisieren. Aber in dem Setting von Couchsurfing, in dem es um freundschaftlichen Austausch, Gastfreundlichkeit und Transparenz geht, kommen mir diese Konzepte fehl am Platz vor. Sie täuschen über den Kernbaustein dieser Reiseidee hinweg.

 

 

Teil 1: Die Busparty – oder die Einleitung meines Couchsurfingfails 2.0

In der ersten Nacht, in der ich in Teheran ankomme und mich Amon (siehe: Norouz – oder wie ich in den Iran flog) bei meinem ersten Couchsurfer im Iran abwirft, sollte sich der zweite Couchsurfing Fail meiner Reise ereignen.

Amon telefoniert ein paar Mal mit meinem Host, da wir große Schwieirigkeiten haben sein Haus zu finden. Er sagt mir, dass er ihn etwas komisch findet. Er sagt er sei ein klassischer Teherani. Arrogant und unumgänglich. Etwas skeptisch lässt er mich mit ihm zurück, spricht ein weiteres Mal seine Einladung in den Norden aus, wo er studiert und mit der Sicherheit, dass wir uns wiedertreffen werden, trennen sich unsere Wege.

Der junge, schmale Mann, mit diesem sehr französischen Moustache, namens Shayan hat ein Pickup und ist im ersten Eindruck nicht besonders gesprächig. Er entschuldigt sich jedoch kurze Zeit später dafür, da seine Schwester scheinbar auf einen Wüstentrip geht, ist er etwas im Stress. Wir erreichen sein Haus und er stellt mir seine Familie vor. Seine Mutter, seine Schwester und seinen Bruder. Wir nehmen alle auf dem großen persischen Teppich Platz. Ein paar Meter von uns entfernt sieht man das große Wohnzimmer. Dort sind Polstermöbel aufgestellt, mit goldenen, verschnörkelten Rahmen, prunkvoll, kitschig und unbenutzt.

Dieser ausladende Stil, der viele persische Wohnzimmer umrahmt, verwirrt mich immer öfter, da er mir zweckentfremdet erscheint.

Während dem Essen erwähnt Shayan ein weiteres Mal die Wüstentour, die seine Schwester heute Nacht unternimmt und fragt mich, ob ich nicht mitkommen möchte. Ich möchte erst einmal ankommen und der Gedanke fliegt schnell wieder aus meinem Kopf. Nach dem Essen zeigt mir Shayan das Zimmer in dem ich übernachten werde, wo ich zwei weitere Deutsche treffe, die rauchend auf dem Balkon sitzen und den Nieselregen auf ihre Köpfe fallen lassen. Beide gehen auch auf diese Wüstentour, die 100 US$ kosten soll. Ich zögere, da ich das Geld nicht wirklich ausgeben will. Andererseits muss man eben manchmal Geld ausgeben um etwas zu erleben. Und gerade Wüstentrips sind nicht besonders einfach selbst zu organisieren, da man meistens ein Auto braucht und jemanden der weiß wo sich die schönen, sehenswerten Plätze befinden. Ich beginne also mit dem Gedanken zu spielen. Shayan sagt, es ist ein kleiner Bus, ein paar Freunde von ihm werden auch mitkommen und es wird eine überschaubare Angelegenheit. Die beiden Deutschen sind um die 40, ein Lehrer aus Berlin und ein Mechaniker aus Braunschweig.

Ein weiteres Problem das sich auftut ist, dass ich nur türkische Lira in meinen Taschen habe und noch nichts in Rials umtauschen konnte. Ich spreche mit Shayan darüber ob ich in Lira bezahlen könnte, doch das Internet ist so schlecht, dass es sich sogar als Herausforderung darstellt einen einfachen Wechselkurs in Erfahrung zu bringen. Nach einiger Hin- und Herrechnerei einigen wir uns auf einen Betrag und ich entscheide mich auf diese Wüstentour zu gehen. Sie wird zwei Tage dauern, der Preis inkludiert die Übernachtung in einer Art Hostel und die zweitägige Begleitung eines Reisebusses, der uns auch an entlegene Zipfel der Wüste bringen kann. Ich beschließe nicht zu viel über Geld nachzudenken und werfe meinen Rucksack in den Kofferraum von Shayans Auto. Die beiden anderen Deutschen springen in ein zweites Auto und nach einer kurzen Fahrt, erreichen wir den Platz wo unser „Minibus“ losfahren soll.

Zum Verhängnis eines der Deutschen handelt es sich jedoch keineswegs um einen kleinen Minibus, mit einer kleinen Anzahl von engen Freunden, die spontan einen kleinen Wüstentrip unternehmen möchten, sondern um einen riesigen Reisebus, voll mit reiselustigen Iranern, die schon aufgeregt mit den Füßen trappeln.

Es stellt sich heraus, dass der Lehrer eine monströse Angst vor dem iranischen Fahrstil hat und sich diese Unternehmung definitiv anders vorgestellt hat. Im Angesicht des Reisebus kapituliert er und versichert Shayan glaubhaft, dass er dieses riesige Gefährt nicht betreten wird. Er sagt ihm, dass er sich diese Reise anders vorgestellt hätte und mit einem kleinen Bus gerechnet hätte, in dem die Insassen auf seine Bedürfnisse eingehen könnten, falls ihm nicht gut sei.

Er cancelt also diese Fahrt mit den verzweifelten Worten, „Mir ist das egal, ich bezahle auch das Geld für die Fahrt. Mein Leben ist mir wichtiger. Ich werde da drin verrückt!“

Kurzfristig ziehen die beiden ihre Zusage also zurück, Shayan aufgebracht: „but you’ve booked this!“. Was etwas ironisch klingt im Anbetracht der Tatsache, dass diese Buchung fern von jedem Vertrag vonstatten ging. Da ich die Einzige der Gruppe bin, die mit der Schwester von Shayan tatsächlich den Bus betritt, weiß ich nicht, ob die beiden tatsächlich die 100US$ bezahlt haben. Für nüscht. Das fände ich schon ziemlich unsportlich von diesem Shayan. Aber dieser Mafiosi mit dem französischen Bart wird sich auch zukünftig noch als leicht verruchter Kerl entpuppen.

Die Fahrt beginnt mit einer Art Vorstellungsrunde, die mir leicht suspekt vorkommt. Ich stehe auf und sage der Gruppe meinen Namen, woher ich komme und was ich im Iran mache. Was ich zunächst als Ausstellungsaktion von Ausländern wahrnehme, soll nur zum Zusammenhalt der Gruppe beitragen. Scheinbar kennt hier jeder jeden und die Reiseveranstalter haben ein großes Interesse an einer freundschaftlichen Atmosphäre im Bus. Nach mir stehen noch ein paar andere junge Soldaten auf, die gerade auf „Freigang“ sind und ihre Freizeit nutzen zu einem kleinen Partytrip. Denn dieser Bus, der zunächst wie ein unschuldiger Reisebus mit fröhlichen Reisenden aussieht, ist eigentlich ein Partybus, indem die Leute kurze Zeit nach unserer Abfahrt den schmalen Gang zwischen den Sitzen füllen und ihre Handgelenke in persischer Manier um ihren Körper kreisen lassen. Für mich eine interessante Erfahrung, da die Hemmungen zu Tanzen scheinbar sehr tief angesetzt sind: Musik an, losgetanzt. Durch den persischen Stil, die Hände als Hauptelement des Tanzes, den ganzen Körper ansteckend, zu benutzen ist es aber auch sehr einfach, ihn zu erlernen (wenn man die Scheu schnell ablegen kann). Das ist schön, weil es damit auch für alle zugänglich wird, jeder kann Tanzen, keiner ziert sich wegen Unfähigkeit. Die Musik wird also ordentlich aufgedreht, Frauen und Männer springen auf und bewegen sich rhythmisch zu iranischer Musik. Die Kopftücher fallen mit den Hemmungen, jeder einzelne Insasse wird aufgefordert mitzutanzen.

Der Bus fährt gegen zwölf Uhr nachts los und da ich mich auf eine lange Schlafphase eingestellt habe gehe ich zunächst in eine kurze Phase der Verzweiflung über und muss an den verängstigten Deutschen denken. Mit dem knarzenden Beat in den Ohren denke ich an seine Worte: „Ich werde da drin verrückt!“ und frage mich kurz, ob mich nun vielleicht dieses Schicksal ereilen wird, da ich zu dämlich war, diese Situation zu vermeiden.

Doch es kommt anders: denn nach einer gewissen Aufwärmphase, bekomme ich auch richtig Lust zu tanzen. Es ist ein anderes Feeling als in Deutschland. Jeder bekommt seinen Moment in dem er im Mittelpunkt steht und meine Mitreisenden wissen genau damit umzugehen. Die Umstehenden klatschen, schnipsen während die Person im Mittelpunkt gekonnt die Hüften schwingt. Diese Souveränität besitze ich leider noch nicht, doch durch meinen Welpenbonus und auch durch die positive Grundstimmung ist die Atmosphäre wohlwollend und federnd, jeder möchte mir beibringen, wie man persisch tanzt. Es ist schön, man kann sich von den Wellen der Begeisterung tragen lassen, keine urteilenden Blicke, keine Ablehnung. Außerdem ist die Interaktion zwischen Männern und Frauen bemerkenswert. Denn ohne sich zu berühren, findet intensiver, spielerischer Austausch statt. Blickkontakt, kreisende Hände, keine körperliche Berührung.

Doch glücklicherweise werden auch die wildesten Tänzer irgendwann müde und ich bekomme noch meine verdiente Dosis Schlaf. Schließlich war der Tag sehr lang.

Was wir in der Wüste erleben und wie sich der Couchsurfingfail ereignen wird, könnt ihr im nächsten Beitrag (noch nicht veröffentlicht) nachlesen..

 

Norouz – oder wie ich in den Iran flog

Vom Neujahr Norouz erzählt mir Mahmoud, mein iranischer Couchsurfer in Istanbul, das erste Mal. Den Neujahrsmorgen verbringe ich mit ihm in seinem Apartment, er tanzt, ist froh und wir verbringen mit einem weiteren spanischen Couchsurfer und Amon den Neujahrsmorgen.

Es ist ein Neujahrsfest, das im zoroastrischen Glauben verankert ist. Man sagt dem Zoroastrismus nach, dass er die Grundlage aller monotheistischen Religionen sei, aber die Rituale, die das Fest begleiten haben grundsätzlich wenig mit dem Islam zu tun. Weswegen es noch verwunderlicher ist, dass dieses Fest immer noch mit solch einem Enthusiasmus gefeiert wird.

Mahmoud erzählt mir, dass es eine spezielle Zeit im Iran ist. Ähnlich wie Weihnachten in Deutschland. Es gibt zwei Wochen Ferien alle Familien besuchen einander, haben Festessen, wandern zusammen und schauen Fernsehen.

Die islamische Zeitrechnung und das zoroastrische Neujahrsfest sind durch zwei verschiedene Kalender festgesetzt. Denn während die islamische Zeitrechnung auf dem Mondkalender basiert, stützt sich der Zeitpunkt von Norouz auf den Rhythmus der Sonne. Die Lösung des Irans war es also, einfach einen persischen Kalender zu etablieren, der wie der islamische Kalender das Jahr Null mit dem Auszug Muhammeds aus Mekka definiert, im Unterschied zum islamischen Kalender aber auf dem Sonnenkalender beruht und somit die zoroastrischen Feste mit integrieren kann. Interessanterweise ist die Tagesanzahl der Monate dabei so geregelt dass die ersten sechs Monate 31 Tage haben und die nächsten fünf 30. Der letzte hat wie bei uns der Februar entweder 29 oder 30 Tage. Als Iraner muss man sich also an drei verschiedenen Zeitrechnungen (dem europäischen, der für Wirtschaft und Tourismus eine Rolle spielt, der iranisch-islamische für Festlichkeiten im Iran, sowie der islamische Kalender, der außerhalb von Iran gilt) orientieren und der Kalender eines Freundes sieht dementsprechend so aus:

KalenderPersischPersische Zahlen:

۱ – 1

۲ – 2

۳ – 3

۴ – 4

۵ – 5

۶ – 6

۷ – 7

۸ – 8

۹ – 9

۱۰ – 10

 

Der zoroastrische Glauben basiert auf Zarathustra, der die Lehre des guten Denkens, des guten Redens und des guten Handelns entworfen hat. Trotz der islamischen Hauptreligion im Iran gibt es noch einige zoroastrischen Bräuche, die sich über lange Zeit gehalten haben. Eine versprengte Gruppe findet sich noch im Westen Indiens, die ihre Herkunft auch explizit mit dem Iran verbinden („Parsen“). Insgesamt feiern allerdings 300 Millionen Menschen Norouz, besonders in der Schwarzmeerregion, dem Kaukasus, Zentralasien und dem Nahen Osten.

Hier ein Bild von einem zoroastrischen Tempel in Yazd, weiterhin das Symbol, dass die drei zoroastrischen Tugenden (mit einem kleinen Schreibfehler) beschreibt:

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Zoroastrier

Norouz stellt sich außerdem als der Grund heraus, warum ich mich schlussendlich entscheide in den Iran zu fliegen. Amon, ein Freund von Mahmoud aus dem Iran, der sich auf einem zwanzig-tägigen Trip durch die Türkei befindet und sich später als ein cooler Reisegefährte herausstellt, vermittelt mir den Flug und bucht ihn für mich bei einer iranischen Airline.

Nach den Anschlägen in Istanbul ist mein Sicherheitsgefühl etwas beschädigt. Obwohl sich Istanbul wirklich zu einem heimeligen Ort für mich entwickelt hat, da ich mit Mahmoud so gut auskomme und auch weiterhin Kontakt mit meinem ersten Couchsurfing Host habe. Doch meine Gedanken kreisen darum weiter zu ziehen, entweder an die nördliche Küste des schwarzen Meers oder an die süd-westliche Küste um Izmir. Beides erscheint mir sehr interessant, da ich mein Zelt dort besser nutzen könnte und ich mich trampend fortbewegen könnte. Obwohl ich die Lust am Trampen etwas verloren habe, da es nur in Glücksfällen eine gemeinsame Sprache gibt. Das ist schade, da ein Hauptpunkt des Trampens für mich ist, mit Leuten mit verschiedenen Hintergründen ins Gespräch zu kommen. Außerdem ist der Weg wirklich sehr weit und das Casanovatum der Türken hat sich mir noch nicht vollends erschlossen, als dass ich mir bedingungslos sicher fühlen würde.

Alternative Nummer drei ist in den Iran zu trampen, quer durch die Türkei. Obwohl mich auch da die erwähnten Überlegungen einschränken würden. Ich könnte dann also am nord-westlichsten Zipfel des Irans das Land betreten. Mahmoud erzählt mir außerdem von einem Zug, der in den Iran führe, doch als ich diesen googele, erhalte ich die Information, dass nach einem Angriff auf diesen Zug der Betrieb zunächst eingestellt wurde. Mist.

Doch dann ergibt sich die vierte Option: Amon, der Freund von Mahmoud, erzählt mir, dass ich auch einfach fliegen könnte, da die Flüge gerade unfassbar billig sind. Da die Fluggesellschaft persisch ist, kann nur Amon für mich diesen Flug buchen, der 20 US$ kostet. Diese zwanzig Dollar überzeugen mich direkt und nach einem Tag des Nachdenkens, entscheide ich mich mit Amon zu fliegen. Der Grund warum der Flug so günstig ist, ist Norouz. Denn in den zweiwöchigen Ferien die damit verbunden sind, verlassen viele Iraner den Iran um Urlaub zu machen. Die Flugzeuge zurück in den Iran sind jedoch so gut wie leer. So kommt es dass die Tickets zu diesen günstigen Preisen verscherbelt werden. Schwein gehabt!

Der Flug geht am Montag gegen eins. Ich verlasse mit Mahmoud morgens um acht das Haus, um sicher zu sein, dass ich den Weg finde. Die letzten Minuten mit Mahmoud sind sehr angenehm, ich versichere ihm zurückzukommen und eine lange Umarmung bildet den vorläufigen Schlusspunkt unserer intensiven Begegnung. Ich bin sehr früh am Flughafen nehme mir etwas Zeit zum schreiben und um den ersten Eindruck von den Iranern aufzusaugen, die in das selbe Flugzeug steigen werden wie ich.

Nachdem ich eine Weile in der Schlange zum Check-In verbringe trifft endlich Amon ein, der mir mit einem Grinsen im Gesicht und ein paar Shoppingtüten sich zu mir in die Schlange stellt, eine Position die ich mir in den letzten 90 Minuten erkämpft habe. Er hat dieses herzliche, leicht provokante Grinsen, dass ihn ständig begleitet und mit dem man ihm nichts übel nehmen kann. Sein geöffnetes Hemd und der Haizahn, der beinahe in seiner Brustbehaarung verschwindet rufen hawaiianische Assoziationen hervor und er zelebriert diesen offenen Lebensstil bis zum bitteren Ende: Kurz bevor wir das Flugzeug betreten packt er mich am Arm, schaut mir in die Augen und sagt. „Lets get drunk! That is something I won’t be able to do for a very long time.“.

Grinsend willige ich also ein im Duty-Free-Shop eine Weinflasche zu kaufen, die wir in der letzten halben Stunde vor unserem Flug gemeinsam leeren. Obwohl sich die Härchen auf meinen Armen aufstellen, bei der Vorstellung, wie wir von den Iranern, die vor uns das Flugzeug betreten, betrachtet werden, mit der Flasche am Hals, scheint Amon dieser Außenwahrnehmung gegenüber komplett gleichgültig zu sein. Eine andere Facette von ihm, die ich in der Zeit in der wir später zusammen reisen werden sehr zu schätzen lernen werde. Wir geben der Flasche also den Rest und betreten das Flugzeug.

 

Als wir unsere Plätze gefunden haben, und das Flugzeug kurz vorm Abheben ist fängt das Flugzeug an zu wackeln und durch meinen leichten Schwips, der den Anflug von Ängstlichkeit unterstützt, nehme ich seine Hand. Er sagt, „Another thing that I won’t be able to do in public for a long time.“ und grinst. Während der ganzen Zeit, die wir gemeinsam verbringen, passiert nie mehr als das zwischen uns, was die Stimmung in freundschaftliche und herzliche Farben taucht.

Als wir in Teheran ankommen, habe ich sogar die Chance seine Eltern zu treffen, die ihn vom Flughafen abholen um ihn mit nach Rasht zu nehmen, einer Stadt am kaspischen Meer. Sie sind so höflich, mich zu meinem nächsten Couchsurfer zu bringen. Und der Tag geht zu Ende, mit mir, immer noch leicht unfähig zu begreifen, dass ich nun tatsächlich im Iran bin.