Yasin – oder, was Couchsurfing nicht sein sollte (Couchsurfing Fail No. 1)

Am Montag den 14. März ziehe ich bei Basak aus und ziehe bei meinem neuen Host ein. Er hat scheinbar einige Beziehungen zu Deutschland, schreibt gerade an der Uni Flensburg seine Masterarbeit und hat beschlossen sie in Istanbul bei seiner Familie zu schreiben. Er hat so gut wie keine Referenzen.

Wir treffen uns an einer Metrostation in der Nähe von Osmanbey, wo Murat gewohnt hat. Von dort aus holt er mich mit dem Taksi ab. Alle fahren hier Taxi! Es gibt zwar auch einige Busse, aber je weiter man raus kommt, desto schlechter wird die Anbindung. Wir unterhalten uns sehr nett, sprechen über sein Studium und seine Masterarbeit.

Seine Wohnung ist sehr sauber, er wohnt zur Zeit in der alten Wohnung seiner Großmutter, da diese kürzlich verstorben ist. Er ist wirklich sehr freundlich und lässt mich in seinem eigenen Zimmer schlafen, während er selbst im Gästezimmer schläft. Nachdem ich mich kurz sortiere, machen wir uns auf die Socken in ein Restaurant. Dort probiere ich das erste Mal Mantı, ein türkisches Gericht, das aus kleinen knusprigen Teigtaschen besteht, die man zusammen mit einer Soße zu sich nimmt.

Danach nimmt mich Yasin mit in ein Café wo man gemütlich Tee trinken kann (es ist das Café, wo mich auch Ali später hin mitnehmen wird).

Unsere Gespräche kreisen sich um Religion, seine ehemalige Beziehung und meinen Beziehungsstatus. Einen kurzen Moment zögere ich, dann entscheide ich mich dafür einen Freund zu erfinden. Seine Miene entgleitet und im anschließenden Spaziergang zur nächsten Bar, erscheint er mir etwas distanzierter.

Wir sind in der Bar und ich entscheide mich die Karten demnächst auf den Tisch zu legen. Er gibt mir eine Steilvorlage indem er mich fragt: „Was denkst du über mich?“

Ich sage ihm, dass ich das Gefühl habe, dass er distanzierter ist, seit er weiß dass ich einen Freund habe. Er lacht, setzt sich neben mich und bejaht. Er fragt mich dämliche Fragen, ob ich es ernst meinen würde mit meinem Freund, ob ich mir denn nicht eine Affäre vorstellen könnte, solche Sachen. Ich sage ihm, dass ich das nicht möchte und dass ich keinerlei Intentionen habe, mehr von Yasin zu wollen. Er sagt, „well I’m a straight male guy“. Blablabla.

Ich kann mir das nicht anhören. Als wäre es offensichtlich gewesen, dass er diese Erwartungen hat. Als könnte man nicht mehr Selbstkontrolle und Reflexionsvermögen von einem männlichen Menschen in der Blüte seiner Jahre erwarten. Als könnte er ja auch nichts dafür, dass er so lange keinen Sex mehr hatte.

Ich habe in meinem Couchsurfing-Request ausdrücklich geschrieben: „no adventures“. Und trotzdem hat sich dieser Kerl Hoffnungen gemacht. Und auch nach einem einfachen Nein, möchte er noch weiter mit mir diskutieren. Was wäre denn, wenn ich keinen Freund hätte? Möchte ich nur nichts mit ihm anfangen, weil ich ihn nicht attraktiv finde? Warum finde ich ihn nicht attraktiv?

Einfach nur nervig. Es ist nicht mal so, dass ich das ekelhaft finde. Immerhin ist er ehrlich. Ich finde es allerdings a) respektlos mir gegenüber mein Nein nicht zu akzeptieren und b) einfach dumm, weil ich im Vorhinein versucht habe diese Situation zu vermeiden. Hat ja super geklappt.

Er sagt mir, wenn ich auf keinen Fall etwas mit ihm anfangen werde, dann ist es ihm lieber, ich würde mir einen anderen Host suchen. Er hat gerade gar nicht so viel Zeit. Und er hat auch gerade gar kein Geld. Seiner Großmutter geht es auch gerade nicht so gut. Sein Hamster hat Magenkrämpfe und er wollte morgen Staubsaugen. Die Liste von dämlichen Gründen, die man vorher hätte erwägen können lässt sich beliebig fortsetzen.

Ich poste also direkt eine Nachricht in der Istanbul-Last-Minute-Group mit einer kristallklaren Kampfansage an Sexsurfing:

Looking for the rare host who would like to have a nice time with a German person, without implying any sexual or intimate interactions .. I really enjoy intellectual conversations & honest discussions… And already had frustrations with previous hosts about sexual expectations !!!

Die Atmosphäre des Abends ist somit zerstört, wir nippen an unserem Bier, Yasin geht alle zwei Minuten für 15 Minuten vor die Tür zum Rauchen und ich beginne mir neue Hosts zu suchen. Vor der Tür der Bar wird es unruhig. Scheinbar gab es auf dem Taksim-Square Demonstrationen, die sich die İstiklal Caddesi herunterziehen.

Durchnässte Menschen betreten die Bar. Regnet es draußen oder setzt die Polizei Wasserwerfer ein? Es entsteht Unruhe, niemand weiß, was da draußen los ist.

In einem ruhigen Moment verlassen Yasin und ich die Bar, steigen in ein Taxi und fahren nach Hause.

Ich habe kein Problem damit, diese eine Nacht bei ihm zu schlafen. Ich schätze ihn nicht als eine gefährliche Person ein. Er hat mich in keiner Weise bedroht oder machte einen gefährlichen Eindruck. Obwohl mich sein Verhalten unendlich nervt, ist er trotzdem eine freundliche Person. Er fragt mich noch, ob ich ihm jetzt eine schlechte Referenz schreibe, ich verneine.

Natürlich schreibe ich diesem Kerl eine schlechte Referenz! Die Referenzen sind dazu da, andere Surfer_innen vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren, dass sich hätte vermeiden lassen können.

Die Referenz fällt sogar sehr differenziert aus, trotzdem schreibt er mir kurz darauf wutentbrannt in Whatsapp. Ich solle zur Hölle gehen. Danach löscht er sein Profil und blockt mich auf Whatsapp.

Alles wieder in bester Ordnung.

2 Gedanken zu „Yasin – oder, was Couchsurfing nicht sein sollte (Couchsurfing Fail No. 1)“

  1. …Du sollst natürlich nicht zur Hölle gehen, gute Mädchen kommen in den Himmel…

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