02. – 05.02.16 Überfahrt mit Ali

Am Ende war ich drei Nächte und vier Tage mit Ali unterwegs im Nachhinein eine für mich interessante Zeit. Mein finales Fazit, nämlich dass ich mit Ali einen der fürsorglichsten und gastfreundlichsten Menschen getroffen hatte, konnte ich erst nach unserem Abschied ziehen. Während unserer gemeinsamen Zeit vertraute ich ihm zwar stückchenweise immer mehr, doch Sicherheit hatte ich nie. Das Vertrauen stellte sich schlussendlich erst nach unserem Abschied ein.

Unsere Tage begannen regelmäßig sehr früh, dann aßen wir meist gegen elf oder zwölf fuhren dann weitere drei Stunden und machten dann entweder Schluss oder fuhren weitere zwei bis drei Stunden. Wir fuhren also zwischen sieben und acht Stunden pro Tag. Leider standen wir an zwei Tagen den gesamten Vormittag in den langen, gewundenen LKW-Schlangen der Grenzen von Serbien und Bulgarien.

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Streckenweise war das sehr frustrierend, da ich das Gefühl hatte Zeit zu verlieren, die ich mit Trampen besser hätte nutzen können. Aber die Momente in denen ich froh war einen warmen Platz zum Schlafen und nonverbale Gesellschaft zu haben überwogen schlussendlich.

Durch Serbien zu fahren erlebte ich als sehr prägend. Wir fuhren über erdige Straßen, ich konnte von weitem die halb abgerissenen Häuser sehen, die nur in seltenen Fällen verputzt waren. Die rohen Backsteinhäuser standen meist auf großen Grundstücken, auf denen möglicherweise noch ein ausgemergeltes Tier oder ein rostiger Metallhaufen zu finden war. Alles ist voll mit Straßenhunden und Katzen. Ich finde es jetzt noch schwieriger zu begreifen, dass wir den Menschen die aus diesen Situationen fliehen wollen sagen, dass sie kein Recht haben in Deutschland zu leben. Dieses Unverständnis mischt sich mit dem Bewusstsein für ein gewaltiges Privileg. Da dieses Privileg nur durch den Zufall der Geburt verteilt wird, erscheint es noch absurder, dass die privilegiert Geborenen ihre Ressourcen so vehement verteidigen. Welches Recht haben wir dazu?

Ich hatte von vielen Trampern gehört, dass der Balkan ein super Land zum Trampen sei, darunter auch Serbien. Falls es dazu kommen sollte, dass ich im Sommer den Balkan noch ausgiebiger bereisen werde, bin ich jetzt schon sehr gespannt auf die kommenden Erfahrungen und wie sich mein erster Eindruck möglicherweise verändern wird.

Die Fahrten mit Ali waren besonders gegen Ende meistens sehr lustig. Manchmal war einem von uns nach Singen und wenn es schon spät am Tag war, wurde Ali manchmal des Fahrens müde. Er brachte mir bei, wie man auf der Spur blieb, mit so einem Oschi von LKW und manchmal fuhren wir in Teamwork, er Kupplung, ich Gas und Lenkung.

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Ich hätte ihn manchmal gerne so viele Sachen gefragt. Ich habe nur herausgefunden, dass er keine Kinder hat und in Trabzon wohnt. Ich hätte ihn aber auch gerne andere Sachen über die Türkei und seinen Job gefragt. Schade, dass das nicht möglich war. Trotzdem gab es immer wieder Anzeichen für seine Persönlichkeit und seine Lebensweise. Er trank abends überhaupt kein Alkohol, weil er Angst vor der Polizei an der Grenze hatte, er beschimpfte Männer, die am Straßenrand in die Büsche pinkelten und dann erst mitten auf der Straße ihre Hose richtig hochzogen. Er versuchte mich außerdem von den anderen Truckern fernzuhalten und mich daran zu hindern am späten Abend noch alleine auf der Raststätte herumzuspazieren. Manchmal kollidierte das mit meinem Bedürfnis alleine zu sein und draußen etwas Ruhe zu finden.

Alles in allem war es eine schöne Zeit. Ich hatte enormes Glück ihn zu treffen. Ohne ihn hätten sich bestimmt andere Dinge ergeben, doch im Nachhinein kann ich es mir nicht vorstellen ohne jemanden an meiner Seite durch Serbien zu fahren, einem mir fremden Land, dass scheinbar wenige gesicherte Plätze hat und Campen im Winter somit faktisch unmöglich ist.

Teschekürederim Ali!