05.02.16 Abschied und Grenzübertritt

Meine Reise mit Ali endet zwei Stunden und 2000 Meter vor der türkischen Grenze. Denn obwohl wir schon ganz nah an der Grenze sind, bewegt sich die LKW-Schlange alle zwanzig Minuten ca. 200 Meter. Ali und ich haben vorher beschlossen uns in Edirne, der Grenzstadt auf der türkischen Seite zu trennen. Von dort aus würde ich dann überlegen, ob ich weiter trampe oder den Bus nehme. Eigentlich will Ali unbedingt, dass ich den Bus nehme, weil er trampen zu gefährlich findet. Aber ich habe ihm verboten weitere Einwände vorzubringen. Daran hält er sich.

Nach zwei langen Stunden, die ich mit Ali im Truck vor der Grenze verbringe beschließe ich mich abzusetzen. Zwei weitere Stunden warten, um sich dann hinter der Grenze sowieso zu trennen? Er sieht das auch ein, und wir umarmen uns feierlich zwischen den beiden Sitzen des Trucks. Ich bedanke mich bei ihm, er drückt mir die restlichen Bier vom Vorabend in die Hand. Fünf Stück.

Dann springe ich aus dem LKW, er gibt mir meinen Rucksack und ich laufe los. Seit dreieinhalb Tagen, die ich nur mit Ali verbracht habe, wieder alleine. Es macht Spaß zu laufen und in der Kälte zu sein. Ich laufe entlang der Landstraße auf die Grenze zu, keiner hält, also passiere ich die Grenze, die selbst ca. 2000 Meter breit ist, laufend. Es ist ganz witzig, weil die Grenze natürlich eigentlich für Autos ausgelegt ist. Ich komme also auf eine Autoschlange zu, was macht man dann? Stellt man sich hinten an?

Ich laufe vor zum Häuschen und werde winkend vorgezogen. Über den Grenzgebäuden hängen natürlich eine riesige EU-Flagge, sowie eine große Türkei-Flagge. Beides erscheint mir überdimensioniert und pathetisch. Noch einige Schritte vorher habe ich halb zerfallene Grenzhäuschen gesehen, verrostete Zäune. Obwohl es sich bei diesen Dingen noch nicht um die richtige Grenze handelt, ist es doch eine passende Parodie. In den Grenzschlangen sehe ich einen Porsche aus München. Aber auch die nehmen mich nicht mit.

Wo ich hinmöchte, fragen mich die Grenzbeamten. Nach Lesbos. Und warum? Ich möchte Freunde besuchen. Auf Lesbos sind sehr viele Flüchtlinge gerade, dort ist es sehr gefährlich. Ja, ich weiß. Der Beamte schaut mich scharf an. Eine Kollegin kommt rein, er verliert sein Interesse an mir, scannt meinen Pass und stempelt ihn ab.

Ich laufe frohen Mutes weiter, über Parkplätze, an Duty-free-Shops vorbei, bis ich durch die letzte Kontrolle komme und endlich die Türkei erreicht habe. Mein erster Begleiter ist ein gefährlich aussehender Straßenhund. Ich habe erst Angst vor ihm und stelle mir vor, wie ich ihm meine Biertüte auf die Schnauze schleudern muss. Aber er hat selbst Angst vor mir, obwohl er sehr groß ist. Während ich versuche mitgenommen zu werden, sitzt er in sicherer Entfernung und starrt in die Gegend.

Der erste der anhält, ist ein kleines zusammengefallenes Taxi. Ich winke ihn weiter. Der nächste Anhalter ist ein Bus. Drei türkische Lira bis nach Edirne. Wie viel Euro sind das? Einer.

Ich springe in den Bus.

1 Gedanke zu „05.02.16 Abschied und Grenzübertritt“

  1. Hallo Tabbi, klingt spannend und inspiriert. Lass dich nicht von deinem Weg abbringen und vergiss die Reiseengel nicht. In diesem Sinne: bon voyage! Lisa

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